Arvet efter von Sydow. En betraktelse i anledning av ett halvsekeljubileum

Authors

  • Jan-Öjvind Swahn

Abstract

Zusammenfassung Das Erbe von Carl Wilhelm von Sydow Carl Wilhelm von Sydow (1878-1952) war der erste und bis heute auch einzige Inhaber einer Professur für Folkloristikals selbständiges Universitätsfach in Schweden. Zwar wurde er schon 1910 Privatdozent der Folkloristik (schwed. "folkminnesforskning") in Lund, aber erst 1940 erhielter einen ausserordentlichen Lehrstuhl fUr Voll,skunde (schwed. damals "folkkulturforskning"). Seine Amtszeit als Professor war also sehr kurz. von Sydows Wirkungsbereich umfasste alle Gattungen der Volksdichtung und des Volksglaubens sowie der volkstlimlichen Sitten und Gebräuche. Auf Anregung von Axel Olrik in Kopenhagen veröffentlichte er 1910 eine Untersuchung der Erzählung vom Besuch des Gottes Thor bei Utgårdaloke und analysierte dann während des nächsten Jahrzehnts Texte aus der altnordischen und altgermanischen Heldendichtung. Er machte wichtige Beobachtungen liber irischen Einfluss auf die Beowulfsdich tung und behandelte mehrere Abschnitte der Nibelungensage. In der Frage des folkloristischen Hintergrundes geriet er in eine langanhaltende Polemik mit einer Reihe skandinavischer und deutscher Philologen. Während er in seiner Dissertation ein typischer Repräsentant der "finnischen" oder historisch-geographischen Schule gewesen war, vermittelte ihm seine Arbeit an dies en älteren Texten eine andere Auffassung vom Alter der Volksmärchen, die er 1926 der Öffentlichkeitvorlegte. Er betont dabei vor allem die Notwendigkeit eines strikten Gattungssystems, den Zusammanhang des eigentlichen '-Vundermärchens mit den Indoeuropäern, eine Datierung der Volksmärchentradition auf ältere Epochen als die damals allgemein angenommene, den Ersatz des Wanderungsaspektes durch den Erbaspekt und in Verbindung damit zum einen den Begriff "Ökotypus" und zum anderen die Bedeutung der "aktiven Traditionsträger" für die Verbreitung des Märchens. Er selbst prüfte diese Theorien eigentlich nur in einer einzigen ausführlicheren Untersuchung, nämlich des altägyptischen "Zweibrüdermärchens". Überhaupt verfasste von Sydow keine grössere monographische Studie, in der er ein bestimmtes Thema gründlicher erforschte, sondern wirkte vor allem durch Artikel, in denen er Richtlinien fur die Forschung skizzierte und die Ergebnisse anderer in Frage stellte. Häufig veranlasste er seine Doktoranden, seine Ideen zu testen, und regte als Lehrer in Lund und Uppsala eine Reihe von Dissertationen uber Märchen (Holmström, Liungman, Liljeblad, Rooth, Swahn), Volksglauben (Granberg, Eskeröd) und Festbräuche (Danver, Fossenius) an. Einen wichtigen Bestandteil seiner indoeuropäischen Theorie bildete seine Auffassung von den begrenzten Möglichkeiten der Märchen, von Mund zu Mund zu wandern. Die Traditionsträger, die ihm zufolge einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung ausmachten, schlossen sich seiner Ansicht nach nur einigermassen umfassenden Bevölkerungsverschiebungen an, z.B. Völkerwanderungen von Art der indoeuropäischen. Ferner meinte er, das Wundermärchen im abenländischen Sinne, mit einer "geradlinigen Komposition", komme nur bei indoeuropäischen Völkern vor sowie bei solchen, die in einer langjährigen Beziehung zu diesen gestanden hatten, z.B. Finnen, Ungarn und Türken. In derselben Weise sei das Novellenmärchen mit "sich windender Komposition" mit den semitischen Völkern verknüpft. Die indischen Wundermärchen könnten nicht, wie die finnische Schule behauptete, nach deren kontinuierlichem Modell der "Ringe auf dem Wasser" gen Westen von Indien nach Europa "gewandert" sein, da sie dann ein Gebiet mit einer Märchenstruktur anderen Typs durchquert hätten. Die Märchen hätten sich innerhalb der Traditionsgebiete, die sich mit dem Verbreitungsraum der europäischen und vorderasiatischen Sprachenfamilien deckten, in der Zeit seit der Ankunft der Indoeuropäer auf Unterschiedliche Art entwickelt, entsprechend dem Traditions- und Naturmilieu, in das sie gerieten. Auf diese Weise hätten sich "Ökotypen" entwickelt, die dazu tendierten, für die einzelnen Märchentypen zusammenfallende Grenzen aufzuweisen, was zur Bildung bestimmter "Ökotypengebiete" geführt hätte, eines keltischen, eines slawischen, eines germanischen u.s.w. Diese Ideen ergänzte von Sydow durch einen weiteren Schritt zuruck in die Geschichte. Er meinte, man müsste versuchen, auch zu der präindoeuropäischen Märchentradition vorzudringen, so dass man diese ebenfalls mit einer bestimmten Kultur verknüpfen könnte. Er wählte dazu den in den dreissiger Jahren von einigen Forschern akzeptierten Begriff "Megalithkultur" und glaubte, bestimmte Märchentypen mit dieser verbinden zu können. Diese Auffassung mit ihm zu teilen, fand sich wohl kaum irgendein Kollege bereit, obschon man den ihr zugrunde liegenden Gedanken nicht abweisen kann (allerdings jedoch ohne Beziehung zu einer fiktiven Megalithkultur). Nach Ablauf eines halben Jahrhunderts erscheinen von Sydows historische Aspekte im Hinblick auf die Märchen veraltet, und zwar vor allem wegen der gründlicheren Kenntnis der aussereuropäischen Märchen, welche die Forscher inzwischen erworben haben. Zweifellos gibt es Wundermärchen mit "geradliniger Komposition" auch in Kulturen, die niemals mit europäischer Tradition in Berührung gekommen sind, und ebenso sicher ist, dass die mündliche Erzählkunst auf semitischem Gebiet eine reiche Flora von Wundermärchen umfasst. Für die prosaische Volksdichtung in ihrer Gesamtheit konstruierte von Sydow ein System von Gattungen, aus dem einige Termini und Begriffe nach wie vor aktuell sind, wenngleich zuweilen in umgearbeiteter oder umdefinierter Gestalt, z.B. "Memorat", "Fikt" und "Dit". Gerade die eben genannten spielten auch eine Rolle bei seiner Beurteilung des Volksglaubens, die von einer ausgeprägt funktionalistischen Auffassung beherrscht war. So meinte er, die Traditionen in bezug auf übernatürliche Wesen, ja vielfach geradezu deren Entstehung, liessen sich von Memoraterlebnisse her erklären, die auf Halluzinationen, Illusionen und Träume zurückgingen. Auf dem Gebiet der volkstümlichen Magie sehloss er sieh im grossen ganzen Frazers assoziationspsychologisehen Gedankengängen an, meinte aber, dass Assoziationen durch Ähnlichkeit und Berührung, die imitative und kontagiöse Magie ergeben hätten, nicht fur alle derartigen supranormalen Verknüpfungen ausreichten, sondern durch einen dritten Assoziationstypus vervollständigt werden müssten, der sich auf emotionelle Faktoren stutzte. Diese Gedankengänge verfolgten später u.a, Eskeröd und Honko weiter und modernisierten sie. Auch in bezug auf die Festbräuche hatte von Sydow eine funktionalistische Grundauffassung, die dazu führte, dass er die Entstehung und Ausgestaltung der Festsitten eher als Ergebnis eines menschlichen Bedürfnisses nach Entspannung und Vergnügen deutete, als sie von älteren religions- und kirchengeschichtlichen Vorbildern abzuleiten. Besonders wandte er sich gegen Wilhelm Mannhardts Theorien von einem älteren Fruchtbarkeitskult und dem Glauben an Fruchtbarkeitsdämonen als Erklärung für Sitten und Gebräuche bei Ernte und Aussaat und bei Jahresfesten wie Weihnachten und Johanni. Nicht zuletzt in diesem Punkt kam es zu einer Kollision mit einem seiner Kollegen in Lund, dem Professor für klassisches Altertum und Geschichte der Antike, Martin P. Nilsson; leider befasste sich von Sydows hauptsächliche Produktion während seiner kurzen Amtszeit als Professor mit dieser von beiden Seiten mit grosser Schärfe geführten Polemik. Die Volksmärchenforschung lag von Sydow ganz besonders am Herzen, aber auf diesem Gebiet besteht sein Erbe nicht so sehr aus seinen Theorien als aus dem "Institutet för nordisk folkdiktsforskning" (NIF, derzeit in Åbo/Turku, Finnland) , das seiner Initiative zu verdanken ist. Leider droht ihm heute die Stillegung. Eine längere Lebenskraft besass, in bearbeiteter Gestalt, seine Forschung über Sitten und Glauben, nicht zuletzt seine Analyse des Hintergrundes von Magie, wie auch die Terminologie, die er für dieses Gebiet schuf. Auch von seinen Forschungsergebnissen in bezug auf die mittelalterlichen Heidensagen hat sich etliches als von bleibendem Wert erwiesen. Abschliessend schildert der Verfasser seine persönlichen Eindrucke von und Erinnerungen an von Sydow. Übersetzung: Christiane Boehnchke Sjöberg

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Published

2010-09-13

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Artiklar